Gerechtigkeit, ein grosses Wort. Eines, das sich gerade jetzt während den jüngsten Vorkommnissen in der Welt stellt. Gerecht? Ist es gerecht, ein Flugzeug abzuschiessen? Ist es gerecht, Zivilpersonen zu Opfern zu machen? Ist es gerecht, jahrzehntelang im Krieg leben zu müssen?
Doch was bedeutet dieses Wort? Ich habe einen Kuchen vor mir. Wie teile ich ihn auf, damit alle das gleich grosse Stück erhalten? Wie teile ich GERECHT?
Man sollte meinen, jeder Gast hat einen Anspruch auf ein gleichgrosses Stück wie alle andern. Ein Recht auf die gleichen Bedürfnisse. Ein Recht auf dieses eine Stück Kuchen. Doch dies ist nur Utopie, Wunschdenken. Es gibt keinen Kuchen, es gibt keine Gäste. Es gibt eine Welt und deren Bewohner. Doch sehen wir alle, wir Weltbüger, die Erde nicht als Kuchen. Wir sehen unsere Nachbarn nicht als Gäste. Auf der Erde dreht sich alles nur um einem selbst. Um sein Stück dieser Welt. Es wird darauf gepocht, das grösste Stück, ja wenn nicht gleich alle Stücke zu ergattern, mehr zu haben als alle andern, satter zu sein als alle andern. Wie Brecht sagte: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Bei dieser Streitsucht um die Welt vergessen wir alle anderen Gäste, wir vergessen sie nicht nur, sie werden zu Feinden. Zu Menschen, welche in den eigenen Augen das Anrecht verlieren, auch ein Stück Kuchen zu erhalten, auch leben zu dürfen. Krümel, die letzten Reste eines Kuchen, erhält die Mehrheit der Weltbürger. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.
Wir leben also in einer Welt voller Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Und doch verspüren wir das Verlangen nach Gerechtigkeit. Nach dieser Gerechtigkeit, welche uns selbst einen Nutzen bringt. In dem einen Moment, in welchem uns Wohlhabenden, den Besitzern der grössten Kuchenstücke, Ungerechtigkeit widerfährt, verlangen wir nach Gerechtigkeit. Wobei in allen anderen Momenten unseres Lebens wir die Ungerechtigkeit erzeugen. Paradox, nicht?
Die Erde ist nicht so einfach gestrickt wie ein Kuchen, das ist mir bewusst. Doch solange nicht jeder einzelne dieser Welt sich bewusst wird, dass sein Anspruch auf sein Kuchenstück zu gross ist, solange nicht der Mehrheit klar wird, dass zu viel vom Kuchen dick und krank macht, solange nicht jeder der Überzeugung ist, dass alle eine Anspruch auf Kuchen haben dürfen, kann nie von Gerechtigkeit gesprochen werden.
Ohne Verantwortung, ohne Wille, ohne Mitgefühl ist Gerechtigkeit nur eine Hülle eines Wortes, welches die Kraft besitzt, Frieden zu bringen.
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